Das Schicksal der Flüchtlinge an der mexikanisch-amerikanischen Grenze

In der Süddeutschen Zeitung vom 26. April 2021 gab es einen Bericht über die Flüchtlingssituation an der Grenze von Mexiko in die USA. Vor allem Menschen aus Guatemala, El Salvador und Honduras versuchen in das Sehnsuchtsland USA zu kommen. Sie fliehen vor der Armut und der Korruption, die ihre Heimatländer zerfrisst, vor der Gewalt von Drogenkartellen und Banden, die erpressen, vergewaltigen und morden.

Seit Joe Biden Präsident ist, sind einige der schärfsten und menschenfeindlichsten (z.B. Trennung der Kinder von ihren Eltern) Maßnahmen gelockert, und schon hat sich die Zahl der Flüchtlinge im ersten Vierteljahr 2021 verdreifacht (von ca. 105.000 im Jahr 2020 auf ca. 350.000).

Schlepper bringen die Flüchtlinge mit einem Schlauchboot in zehn Minuten über den Fluss Rio Grande von Mexiko nach Texas. Dass es so viele in 2 – 3 Wochen durch das riesige Land Mexiko bis dahin überhaupt geschafft hatten, ist kaum vorstellbar, vor allem wenn man bedenkt, dass ja ganz viele Familien mit kleinen Kindern diese Strapazen auf sich nehmen. Das Elend und die Hoffnungslosigkeit zu Hause, die Brutalität der Gangs, die Hurrikane und jetzt auch noch die Pandemie haben sie vertrieben. 3000 – 8000 Dollar müssen sie an die Schlepperbanden zahlen, enorme Schulden mussten sie machen in der Hoffnung, sie durch ihren (meist illegalen) Aufenthalt und ihre Arbeit in den USA abzahlen zu können

Die meisten, vor allem die Jüngeren (wobei da ganz oft auch sehr gefährliche Personen dabei sind, die Waffen oder Drogen schmuggeln) werden jenseits der Grenze von der amerikanischen Grenzpolizei aufgegriffen und zurück geschickt, aber sie versuchen es immer wieder, die Grenze zu passieren, bis es dem einen oder anderen gelingt, die Grenzposten zu überwinden.

Familien mit Kindern und Minderjährige (viele Familien haben ihre 10 – 14-jährigen Kinder ganz allein losgeschickt) dürfen bleiben und werden in Auffanglagern versorgt. Sie können einen Asylantrag stellen und dann bei Verwandten (die meisten haben wirklich Verwandte dort) in den USA abwarten, bis ein Gericht über ihren Aufenthaltsstatus entscheidet.

 

Auch in unserer Schule gibt es kaum eine Familie, aus der nicht wenigstens eine Person in den USA ist, um das Überleben der Angehörigen in Guatemala zu sichern.

  • Unser Sekretär César Augusto hatte es vergeblich versucht, blieb aber schließlich auf einem Haufen von Schulden sitzen. In unserer Festschrift 2020 berichtet er:

    César Augusto

    Es ist mir eine Freude, mich an Sie zu wenden, Sie herzlich zu begrüßen und Ihnen von meiner „Reise“ von Guatemala in die USA in der Zeit vom 5. Mai bis zum 2. Juni 2017 zu berichten. Viele Leute haben den Traum, dorthin zu kommen, freilich illegal. Ich war einer von ihnen. 29 Tage war ich unterwegs. Sich da aufzumachen, ist eine schwere Entscheidung, aber aus ökonomischen Gründen war es einfach notwendig. Hier in unserem Land gibt es kaum sichere und günstige Arbeitsmöglichkeiten. Ich war arbeitslos, und es fiel mir schwer, das zu akzeptieren. Warum, wofür traf ich diese Entscheidung, den gefährlichen Weg in die USA zu gehen? Natürlich im Hinblick auf die Situation meiner Familie, denn wir haben ein niedriges Einkommen, wir bekommen von niemandem Unterstützung. Ich dachte, ich würde ihnen dadurch helfen, vorwärtszukommen und so unsere wirtschaftliche Situation zu verbessern und Neues anpacken zu können. Für diese Reise habe ich viele todbringende Gefahren in Betracht gezogen, z.B.: Hunger, Durst, Kälte, Sonne, Regen auszuhalten. Das Gefährlichste ist jedoch, auf einen Zug (genannt „Bestie“) aufzuspringen. Da verliert die Mehrzahl der Emigranten ihr Leben, weil wir eigentlich springen müssen, um dort zu bleiben, wo man es uns sagt. Wir waren zwei Tage in einem großen Lastwagen unterwegs, wo wir stehen mussten, ohne uns setzen zu können. 350 Personen waren da eingesperrt.
    Ja, ich bin angekommen, aber es war sehr traurig, dass ich leider nach 6 Tagen abgeschoben wurde. Jetzt schulde ich dem Fluchthelfer, diesem Kojoten 63.000 Quetzales (ca. 7.000,-€). Nun fühle ich mich Gott sei Dank glücklich. Ich danke Aldea Laura, dass mir seit 11. Mai 2018 die Gelegenheit gegeben wurde, im Schulprojekt von Chocruz als Sekretär für die Mittelschule (Basico I) zu arbeiten. So kann ich meine Schulden begleichen und gleichzeitig meiner Familie bei verschiedenen Aufgaben helfen.

    Wilmer Ismael

  • Vor 6 Jahren hat ein Familienvater seinen ältesten Sohn Wilmer Ismael allein auf den Weg geschickt,-und er hat es tatsächlich geschafft!

    Mario mit seiner erweiterten Familie

     

     

  • Köchin Veronika


    Unsere Köchin Veronika hat im Dez. 2020 ihre vier Kinder verlassen, ebenso unser Lehrer Mario.

    Beide sind seit dieser Zeit im „gelobten Land“. Leider wissen wir nichts Näheres von ihnen.

     

  • Ein Bericht aus userer Festschrift von 2020:
    USA – Das gelobte Land
    Bei meinem Guatemala-Besuch im Februar 2019 hat mich der riesige Treck von Flüchtlingen, der sich kurz vorher aus El Salvador, Honduras und Guatemala auf den Weg gemacht hatte, um durch Mexiko in die USA zu gelangen, auf die Idee gebracht, in der 7. – 9. Klasse unserer Schule zu fragen, ob denn aus den Familien der Schüler auch der eine oder andere in den USA sei. Mit großem Erstaunen musste ich hören, dass fast aus jeder Familie mindestes einer in den USA versucht, seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren. Und alle leben dort als illegale Migranten!Ich erinnerte mich an das Jahr 2016: Da wurde uns mitgeteilt, dass ein Vater seinen 11-jährigen Sohn (der noch sieben Geschwister hat) von der Schule abmeldete und ihn in die USA schickte, denn hier in Guatemala gibt es weder für ihn noch für die Familie vernünftige Lebenschancen. Unvorstellbar für uns – ca. 3000 km auf einem gefährlichen Weg durch Mexiko hindurch, um dann eventuell die Grenze in die USA nicht überwinden zu können! Der Junge hatte es geschafft und ist bei seinem Onkel, der schon länger dort lebt, angekommen.Ca. 11 Millionen (3,5 % der Gesamtbevölkerung) illegale Migranten leben und arbeiten in den USA. 5 % der Arbeitskräfte machen sie aus, 11 Milliarden Dollar zahlen sie an Steuern. Sie arbeiten vor allem im Agrarsektor (ca. 60 % sind hier Migranten) und im Baugewerbe, z. T. unter sklavenähnlichen Bedingungen. Sie sind in das Wirtschaftssystem integriert, sind im Gaststätten- und Hotelgewerbe sogar oft selbstständige Unternehmer. Eine Abschiebung dieser Illegalen würde zu einem eklatanten Arbeitskräftemangel, zu höheren Arbeitskosten und damit zu höheren Löhnen und Preisen führen.Viele machen sich auf den langen und gefahrvollen Weg. „Was auch immer mir passiert, und wenn sie mich töten, so ist das besser als in die Hölle zurückzukehren, in der ich gelebt habe“, so ein Migrant aus dem Treck von 2018.

    Ob wir etwas dagegen tun können mit unserem Schulprojekt? Wir können nur an einem Ort den Kindern helfen, eine vernünftige schulische Ausbildung zu bekommen und ihr Selbstwertgefühl als Angehörige des alten Mayavolkes zu stärken. Was sie daraus machen? Das haben wir nicht mehr in der Hand!

    Eberhard Nusch