Unser Schulprojekt befindet sich in Chocruz, einem kleinen Dorf im Hochland von Guatemala. Die äußerst bescheidenen Wohnhäuser liegen relativ weit verstreut. Die nächstgrößere Stadt ist das etwa 8 km entfernte Momostenango.
Guatemala, einer der kleinen Staaten Zentralamerikas (ungefähr so groß wie Süddeutschland), weist eine vielfältige Landschaftsstruktur auf, vom fruchtbaren tropischen Küstensaum am Pazifik bis hin zum kargen, gebirgigen Hochland auf annähernd 3000 m Meereshöhe. Über das Jahr hinweg gibt es hier relativ milde Temperaturen, aber die Nächte können ausgesprochen kalt sein. In der Regenzeit spülen die Wassermassen oft den Boden fort, wodurch die Anbauflächen stark erosionsgeschädigt sind.
Die Bevölkerungsgruppe der Mayas macht weit mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung in Guatemala aus; daneben gibt es die Mischbevölkerung der Ladinos, bzw. Mestizen und ca. 5% Weiße. Das Hochland ist Mayagebiet, in den Städten dominieren die wirtschaftlich gut gestellten Weißen und die Ladinos.
Die Indígenas, wie die Nachkommen der Maya genannt werden, wurden im Laufe der Zeit immer weiter in diese lebensfeindlichen Regionen im Hochland abgedrängt. Der letzte Vertreibungsschub erfolgte während des Bürgerkrieges (1960–1996). Dies ist der Hintergrund, weshalb sie sich bislang an diese ungünstigen Lebensbedingungen nicht anpassen konnten: sie hatten keine Erfahrung mit Ackerbau und Viehzucht und konnten so keine ökonomische Selbstständigkeit entwickeln.
Das Leben der Mayafamilien in der Region unseres Projektes ist wie in ganz Lateinamerika durch große soziale Ungerechtigkeiten geprägt: da 4% der Bevölkerung 75% der landwirtschaftlichen Nutzfläche besitzen, bleibt für die Masse der indianischen Kleinbauern nur ein winziger Rest an Anbaufläche. Die Äcker sind oft so klein, dass sie nicht einmal den Eigenbedarf der Familien decken. Gemüseanbau ist mit Ausnahme von Mais wegen der Hochlage nicht möglich. In Chocruz gibt es praktisch keine Erwerbsmöglichkeiten, Lohnarbeit ist in dieser Region nicht vorhanden.
Die Mehrzahl der Männer ist als Kleinkaufleute unterwegs, andere arbeiten als Tagelöhner auf den Maisfeldern, manche stellen Brennholz her. Die Frauen sind mit den Kindern ans Haus gebunden, Kochen und Wäschewaschen füllen ihren Tag. Manche halten Hühner und verwenden die Eier und das Fleisch für den Eigenbedarf oder bieten es zum Verkauf an. In vielen Häusern werden z.T. in nächtlicher Arbeit bei schlechten Lichtverhältnissen Stoffe für traditionelle Maya-Kleidung gewebt – Schwerstarbeit auch für Frauen.
Die Familien sind sehr groß, nicht selten gibt es 8 -10 Kinder. Um das Überleben zu sichern, müssen sie regelmäßig in der Familie mitarbeiten und können daher oft keine Schule besuchen.
Aus fast jeder Familie hält sich jemand illegal in den USA auf, um dort vor allem in der Landwirtschaft und in Gastronomiebetrieben für den Lebensunterhalt der Familie zuhause zu sorgen.
Durch unser Schulprojekt konnten immerhin einige Arbeitsplätze geschaffen werden.
Lesen und schreiben können nur ganz wenige, da es kaum Schulen gibt. Zudem ist die offizielle Landessprache Spanisch, während die Menschen im Hochland Quiché sprechen, eine der vielen Maya-Sprachen.
Chocruz ist nicht an ein Straßennetz im europäischen Sinn angebunden. Lediglich eine unbefestigte Piste mit zum Teil tiefen Schlaglöchern führt hinauf ins Dorf. Da niemand über ein Auto verfügt, und die Bushaltestelle weit entfernt ist, müssen die Einwohner Erledigungen in Momostenango entweder zu Fuß erledigen oder als Anhalter um Mitnahme auf der Hauptstraße hoffen.
Gravierend ist das Trinkwasserproblem. Lange Zeit war die Situation katastrophal, es konnte nur Oberflächenwasser genutzt werden. Aber auch jetzt, wo die Schule an ein kommunales Trinkwassernetz angeschlossen ist, ist die Wasserversorgung weit davon entfernt, gut zu funktionieren. Sie steht und fällt mit der Häufigkeit und Ergiebigkeit der Regenfälle.
Die Klimaerwärmung macht sich auch hier bemerkbar, Regenfälle werden weniger. In manchen Jahren bleiben sie wegen El Niño ganz aus. Dann kommt kaum ein Tropfen Wasser in der Schule an und die Kinder müssen wie früher Wasser von zuhause mitbringen.
Ein staatliches Gesundheitswesen ist in Guatemala im ländlichen Bereich nicht vorhanden.
Die Menschen in Chocruz leiden unter unzureichender Ernährung und schlechten hygienischen Verhältnissen – beides begünstigt die Entstehung von Krankheiten und sorgt für eine hohe Kindersterblichkeit.
Atemwegsinfektionen, Durchfall- und Wurmbefallserkrankungen, massive Karies und bedrohliche Unter- bzw. Fehlernährung kennzeichneten den Gesundheitszustand der Kinder.
Nur in großen Abständen kam eine Ärztin in die Region – viel zu selten für eine kontinuierliche Betreuung und Beratung der Einwohner von Chocruz.
Erst der Verein „Mirador e.V.“ aus Leipzig, der über die deutsche Botschaft in Guatemala Kontakt zur Schule knüpfen konnte, hat auf dem Grundstück unseres Schulprojekts eine Krankenstation errichtet, die im Juni 2012 eingeweiht wurde. Zwei ehemalige Schülerinnen unserer Schule durchliefen eine Hebammen- bzw. Krankenschwesterausbildung, um diese „Clinica Renate Hänsler“ zu betreuen. Regelmäßig kommt nun auch eine Ärztin, um dort ihre Sprechstunde abzuhalten – ein großer Fortschritt hin zu besserer Beratung, mehr Hygiene und frühzeitiger Erkennung von Fehlernährung und Krankheiten.